Dienstag, 30. Juni 2015

Nächtliche Poesie

Ich liebe Poetry Slam. Am liebsten aber diese etwas hmm...
wie soll ich sagen? Gefühlsduseleien. So könnte man das nennen.
Schon seit längerem begebe ich mich immer mal wieder auf die
Suche nach neuen Videos von neuen Poetry Slams, um mich abends
damit sanft in den Schlaf zu wägen. Bin dann auf Julia Engelmann
gestoßen. Ich mag eigentlich keine Lyrik. Vor allem nicht "Faust"
oder sowas. Hab nur mal 'n kleinen Textausschnitt gelesen und
kein Wort verstanden. Ich muss sagen, das ist einfach nicht meine
Welt. Und meine Zeit schon gar nicht.
Ich alter Kulturbanause.

Aber Poetry Slam ist die Lyrik von heute. Gedichte, in die man sich
besser reinfühlen kann, weil sie modern sind. Als ich dann letztes Jahr
gesehen habe, dass sie ein Buch veröffentlich hat, musste ich sofort zuschlagen.
Und ich liebe es! Wer da noch nicht seine Nase reingehalten hat, sollte das
unbedingt mal tun! Und die besten Neuigkeiten: Oktober wird es ein zweites
Buch geben. Juhu! Ich freu mich! Ich bin eigentlich nicht so die Leseratte.
Ich mag keine Bücher. Ich bin da eher der Filmfanatiker. Bücher lesen dauert mir
zu lange. Ich kann keine zwei Wochen warten, um zu wissen wie die Geschichte
ausgeht. Gut, man kann natürlich Trick 17 anwenden und die letzten 4 Seiten zuerst
lesen (was ich im Übrigen auch schon das ein oder andere mal getan habe), aber
dann kann man's auch gleich lassen. Da setz ich mich doch lieber auf die
Couch oder leg mich ins Bett und schau den Film dazu. Weniger anstrengend.
Mit Bildern. Und man hat die Hände frei zum Essen.

Bücher ohne Bildern sind sowieso doof.






"Bestandsaufname - Julia Engelmann

Teil 3 von 3 - Was ich habe


...
Ich hab Augen, die alles das, was ich betrachte, auch
tatsächlich sehen,
und Beine, die manchmal tanzen, hocken oder stehen oder
tatkräftig gehen.
Ich hab Ohren, die alles das, was du sagst, ganz wörtlich
verstehen
und manchmal auch das, was du eigentlich meinst.
Ich hab Empathie, die mir wehtut, wenn irgendwer weint.
Ich hab Arme und Hände, die Dinge halten können und
dich.
Ich hab eine Mimik aus Fältchen und Muskeln und Haut
im Gesicht.
Ich hab ein Herz, das ich zu selten auf der Zunge trage, aus 
Angst, dass ich's verschlucke.
Ich habe ein Lächeln, das ziemlich gut funktioniert, aber
das ich zu selten benutzte.

Ich hab Freunde und Träume, meine Stimme und Sinne
Ich hab so viele Ideen, ich hab so viel zu geben,
ich hab so viel zu erleben, ich hab so viel zu lesen.
Ich hab Fragen, die offen sind und Haare, die offen sind,
Tränen, die Tropfen sind und ziemlich schnell trocken sind.
Ich hab sicherlich nicht allzu viel, aber doch ein bisschen Wissen,
ich hab ein Gehirn mit Synapsen, die sich stündlich 
verknüpfen.

Ich hab Vertrauen.
Vertrauen in Entwicklungen und Beziehungen und in das 
Leben an sich,
darin, dass alles seinen Grund hat, Zeit Wunden heilt, und
auch Vertrauen in mich.
Ich habe Erinnerungen.
Erinnerungen, von denen mir noch Ernte verbleibt.
Ich hab eine Meinung und Gefühle und Werte und Zeit.

Ich hab mein Leben, das endlich ist
und nicht selbstverständlich ist,
vielleicht eine Seele, die ewig beständig ist,
auch wenn der Gedanke für mich sehr befremdlich ist.
Ich hab noch was, das vergesse ich oft.
Dann muss ich mich neu besinnen -
ich hab nicht nur nichts zu verlieren, sondern so viel zu gewinnen.
Ich hab tausend Gründe zum Lachen und bloß einen zum Weinen.

Und vor allem hab ich allen Grund, glücklich zu sein."





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